STORY CARE

Mehrere Jahre habe ich als freie Autorin und Ghostwriterin Menschen bei Textprojekten aller Art unterstützt: zum Beispiel beim Verfassen von Konzepten, Webseitentexten, Blogartikeln oder Kurzbiographien. Seit 2019 hat sich der Schwerpunkt meiner Arbeit kontinuierlich in den Palliativbereich verlagert. Inzwischen bin ich mit „Story Care“ fast ausschließlich als Geschichtenpflegerin bzw. Palligrafin im Hospiz oder auf der Palliativstation tätig.

Menschen am Lebensende finden dort in mir ein geschultes und aufmerksames Gegenüber, das ihnen hilft, dem roten Faden in ihrem bunten Leben nachzuspüren und daraus ein persönliches Dokument zu erstellen, das den unvergleichlichen Kern ihres Wesens widerspiegelt.

Herzzentriertes Storykeeping an den Grenzen des Lebens

Schon in meinem alten „Brotjob“ habe ich mich ungern als Texterin bezeichnet, weil es mir nie nur darum ging, einen „schönen Text“ für meine Kund*innen zu schreiben – viele schöne Texte sind am Ende auch oft austauschbar. Mein Ziel war es immer, gemeinsam eine stimmige Sprache für ein ganz individuelles Angebot und das damit verbundene Herzensanliegen zu finden.
Mit dieser Haltung suche ich heute auch die Menschen auf der Palliativstation auf: Welche persönlichen Herzensbotschaften möchten sie ihren Liebsten hinterlassen, wenn das eigene Herz aufgehört hat, zu schlagen? Was von ihnen soll bleiben – in den Herzen der anderen, aber eben auch auf dem Papier? 

Wenn ich den Menschen ihre eigene Geschichte, die Essenz ihres Lebens, vorgelesen habe, sagen sie im Anschluss fast immer: „Das haben Sie aber schön geschrieben.“
Dann darf ich sie korrigieren: „Ich habe es nur aufgeschrieben – erzählt haben Sie! Das sind Ihre Worte.“
Meine Aufgabe ähnelt somit der einer Hebamme:  Ich helfe beim Schöpfen der Worte und unterstütze durch meine Art des Fragens und Zuhörens dabei, dass auch am Ende des Lebens noch einmal etwas auf die Welt kommen und bleiben darf: ein geistiges Vermächtnis, erzählt in den eigenen Worten.

Das Gewicht des Lebens loslassen 

Dabei mache ich jedes Mal aufs Neue die Erfahrung, dass sich in jedem scheinbar gewöhnlichen Leben mindestens eine außergewöhnliche Geschichte verbirgt, die es wert ist, erzählt und sicher festgehalten zu werden. Die Geschichte des Lebens aufzuschreiben, bedeutet nämlich nicht zwangsläufig, eine chronologische Nacherzählung aller Stationen und Ereignisse zu verfassen. Wenn es gelingt, die Essenz eines gelebten Lebens in den eigenen Worten des Erzählenden einzufangen, dann kann ein zartes Booklet sogar kraftvoller sein als eine zweihundertseitenstarke Autobiographie. 
Immer wieder beobachten wir im Team, wie es Menschen, die ihr Leben nun buchstäblich in den Händen halten, sicher festgehalten und auch für ihren Tod nicht zu erreichen, etwas leichter fällt, sich in den Sterbeprozess zu begeben.
Das, was lange Zeit so und unglaublich und bedrohlich schien, darf nun geschehen. Auch, weil den Menschen nicht nur bewusstwird, dass ihr Leben wirklich zu Ende geht, sondern auch, dass es einen Unterschied im Leben anderer gemacht hat, und dass sie Spuren hinterlassen werden.